In regelmässigen Abständen tauchen Berichte auf, dass Wegwerfwindeln umweltfreundlicher seien als Stoffwindeln. Michaela Srajbr ist der Frage im folgenden Gastartikel auf den Grund gegangen.

Eine kurze Zusammenfassung über die Umweltfreundlichkeit von Stoffwindeln

von Michaela Srajbr veröffentlicht am 15. Juli 2016

Inhaltsstoffe von Einwegwindeln

 

Gängige Einwegwindeln bestehen in der Regel aus 5 Schichten, einem Topsheet, einem Aufnahmevlies, einem Verteilervlies, einem Saugkern und einer Außenfolie. Die Vlies bestehen aus Polypropylen, der Saugkern aus Zellstoff-Flocken + „Superabsorber“ (Polymersalze wie z.B. quervernetztes Natriumpolyacrylat) und die Außenfolie aus Polyethylenfolie. An den Bezeichnungen erkennt man schon, dass hier einiges an Chemie im Spiel ist, da es sich um reine Kunstfasern handelt (mit Ausnahme der Zellstoff-Flocken), bzw. beim Superabsorber um ein transparentes, festes Kunststoffsalz. Letzteres sieht trocken aus wie ganz feines Salz, mit Flüssigkeit vollgesogen hat es die Konsistenz von Wackelpudding.

Da ich bereits einige Prozessabläufe von Industrieunternehmen kennenlernen durfte, weiß ich, dass wenn 5 Schichten miteinander verklebt, in Form geschnitten und bedruckt werden müssen, viel Platz, Energie, Wasser und vor allem viel mehr Rohstoffe verbraucht werden, als die fertige Windel hergibt. Vor allem bei der Produktion der Schichten und beim späteren Zuschnitt entsteht viel Abfall! Dabei darf nicht vergessen werden: Der Rohstoffe für die Gewinnung von Kunststoffen ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nach wie vor Erdöl!

Ein gewisser Produktionsabfall entsteht natürlich auch bei Stoffwindeln. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass es einen großen Unterschied macht, ob pro Produktionsstätte täglich mehrere Millionen Einwegwindeln produziert werden oder „nur“ tausende Stoffwindeln, von denen bekanntermaßen wesentlich (!) weniger gekauft werden.

Man könnte nun argumentieren, dass bei der Herstellung von Textilien ebenfalls schädliche Chemikalien zum Einsatz kommen und Baumwolle aufgrund des hohen Wasserverbrauchs und Pestizideinsatzes sowieso nicht sehr umweltfreundlich ist. Das stimmt natürlich und ist ein durchaus berechtigtes Argument für die gesamte Bekleidungsbranche!

Nachfrage nach ökologisch produzierten Windeln steigt

Die Produktion von Stoffwindeln machen in der Textilbranche jedoch nicht nur einen sehr geringen Anteil aus, viele Stoffwindelhersteller reagieren außerdem auf die Nachfrage der umweltbewussten Eltern nach mehr ökologisch produzierten Windeln. Somit werden Windeln aus Naturfasern in Bio-Qualität, Höschenwindeln mit einer Außenschicht aus recycelten Plastikflaschen (Ecoposh von Rumparooz) oder auch Überhosen aus Eco-PUL (hergestellt mit lösungsmittelfreiem Klebstoff, der in der Sonne nicht ausdünstet) oder wiederverwertetem („upcycled“) Kaschmir (von Babee Greens) angeboten.

Wenn alle Eltern Stoffwindeln kaufen und niemand mehr Einwegwindeln nutzt, bin ich überzeugt, dass die Textilbranche entsprechend reagieren müsste. Der Bedarf an Baumwolle kann schon jetzt kaum gedeckt werden und die Notwendigkeit wächst, auf schnell wachsende Alternativen (wie Hanf oder auch Soja) und umweltfreundliche Kunst- bzw. Viskosefasern (wie Lyocell/Tencel oder auch Milkfibers (aus Kuhmilch – sehr spannend!)) umzusteigen.

Abfallentsorgung

Das meiner Meinung nach stärkste Argument für die Stoffwindeln als umweltfreundliche Alternative zu Einwegwindeln ist die Abfallentsorgung. Stoffwindeln werden sehr lange genutzt und sind selbst nach Ihrem Einsatz als Windel noch gut weiterhin verwendbar (z.B. wird die Windel zum Putz-/Waschlappen und die Überhose aus PUL zu einer Patchwork-Wetbag). Wenn das Material jedoch gänzlich am Lebensende angekommen ist, wird der trockene (!) Stoffrest genauso wie eine Einwegwindel über den Hausmüll entsorgt. Der Unterschied liegt hier allerdings in dem Grad der Feuchtigkeit des Mülls. Da Hausmüll seit 2005 in Deutschland nicht mehr deponiert, sondern in großen Müllverbrennungsanlagen verbrannt wird, ist nunmehr entscheidend, wie brennbar der Müll ist und wie viel Energie aus der Verbrennung gewonnen werden kann. Bei trockenem Stoff ist es einfach. Er verbrennt sofort, bzw. die gegebenenfalls unterwegs (z.B. in einem offenen Zwischenlager) aufgenommene Feuchtigkeit verdampft problemlos und der Stoff verbrennt binnen Sekunden.

Der mit Flüssigkeit vollgesogene Superabsorber in der Einwegwindel hingegen ist fest eingeschlossen und kann nicht trocknen! Die Verbrennung einer nassen Einwegwindel kostet somit mehr Energie als sie erzeugen kann. Dies ist darin begründet, dass das eingeschlossene Wasser verdampfen muss, bevor die Kunststoffe verbrennen können. Da die Superabsorber extrem große Mengen an Wasser speichern, ist mehr Energie nötig, um das Wasser zu verdampfen, als die Verbrennung der dann trockenen Windel wieder einbringt. Die Verbrennung von Windeln kostet somit Energie! Die einzig mögliche Lösung wäre, die Windeln zu schreddern, lange trocknen zu lassen (mindestens 2 Wochen, wenn vor Regen geschützt) und sie dann – energiegewinnend – zu verbrennen. Dies ist jedoch aus Kostengründen nicht möglich.

Wenn man nun bedenkt, dass der Anteil der Windeln 5% (in einigen Städten sogar 10%) des deutschen Hausmülls ausmacht, kann man sich ein Bild vom unnötigen zusätzlichen Energieverbrauch machen, der dadurch zustande kommt.

Ökoeinwegwindeln

Nun muss man Ökowindeln (Moltex, Naty, Babylove Öko, usw.) zu Gute halten, dass sie aus weniger Schichten bestehen als herkömmliche Pampers und die Vlies aus Zellstoff sind (kein Erdöl als Rohstoff – kein CO2 aus fossilen Energieträgern). Allerdings verursachen Sie mit dem enthaltenen Superabsorber die gleiche Entsorgungsproblematik. Traurig amüsant finde ich hier die Verpackung. Ökowindeln haben meistens eine biologisch abbaubare Kunststoffverpackung (Keimling-Logo), was viele Eltern allerdings nicht wissen und die Verpackung fälschlicherweise in dem gelben Sack entsorgen. Dort verursacht die Verpackung leider Probleme, da es sich nicht um eine recyclebare Plastikverpackung handelt und sie aufwendig aussortiert werden muss.

Windeln waschen

Zuletzt ein kurzer Abriss zum Thema Waschen:

In unserem Haushalt mit einem Baby werden die Stoffwindeln nach 3 Tagen gewaschen. Da unsere All-In-Ones, Prefolds und Mullwindeln (insgesamt ca. 20 Teile) bei weitem nicht die Kapazitäten unserer Waschmaschine ausfüllen, weiche ich die Windeln zunächst ein paar Minuten ein (Programm „Spülen“) und gebe dann weitere Wäsche hinzu (40 oder 60 Grad, je nachdem, wie schmutzig alles ist und was sich an weiterer Wäsche angesammelt hat). Somit kommen wir bei unserem 3-Personen-Haushalt auf durchschnittlich 4 Waschmaschinen pro Woche, also gerade Mal eine mehr als ohne Stoffwindeln!
Den zusätzlichen Wasserverbrauch dieser einen Waschladung pro Woche, hat man mit ca. 6,5 Minuten weniger Zeit unter der Dusche bereits ausgeglichen.

Den zusätzlichen Energieverbrauch eines Waschprogramms (z.B. 40 Grad Buntwäsche, 120 Minuten, 10 Jahre alte Waschmaschine) hat man mit 30 bis 60 Minuten weniger Zeit vor dem Fernseher wieder ausgeglichen (abhängig von Modell und Alter des Fernsehers. Hier mit einem neuen 42 Zoll-Fernseher gerechnet).
Wo wir schon beim Thema Energie sind: wenn Stoffwindel-Eltern beim Waschen nun auch noch auf das Wetter achten und ihre Windeln waschen, wenn der Wind kräftig weht und/oder die Sonne scheint, dann ist der Anteil an Ökostrom in unseren Stromnetzen so hoch (bis zu 100%), dass wir ohne schlechtes Gewissen Windeln waschen und in der Sonne zum Trocknen aufhängen können!